Veröffentlichung des finalen technischen Berichtsformats "RTS" zur praktischen Umsetzung der Transparenzpflicht nach der Offenlegungsverordnung (SFDR)

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Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) veröffentlichen den finalen Abschlussbericht und die technischen Regulierungsstandards (RTS) für die Berücksichtigung von ESG-Risiken und -Faktoren im Rahmen der nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegung im Finanzdienstleistungssektor.

Das von der Europäischen Kommission beauftragte Joint Committee of European Supervisory Authorities (ESAs) bestehend aus den drei europäischen Aufsichtsorganen EBA, EIOPA und ESMA veröffentlichte am 04.02.2021 seinen Abschlussbericht mit den finalen Regulatory Technical Standards („Draft-RTS“) des zweiten delegierten Rechtsaktes zur Offenlegungs-Verordnung (SFDR). Der Draft-RTS enthält Spezifizierungen der Inhalte, Methoden und Darstellung von ESG-Angaben für die verpflichtende Offenlegung nach SFDR und konkretisiert diese sowohl auf Ebene des Finanzunternehmens als auch auf Ebene des Finanzproduktes.

Als Reaktion und im Vergleich zur konsultierten Erstfassung der RTS in 2020 beinhaltet die aktuell veröffentlichte finale Fassung des Draft-RTS weitere Konkretisierungen, um die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen und die methodische Praktikabilität zu verbessern. Die Änderungen beziehen sich einerseits auf unternehmensbezogene Transparenzanforderungen, wie beispielsweise auf die nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen gemäß Art. 4 SFDR, die so genannten Principal Adverse Impacts on Sustainability (PAI), andererseits auf produktbezogene Transparenzanforderungen bei der Bewerbung ökologischer und sozialer Merkmale in vorvertraglichen Informationen (Produkte nach Art. 8 SFDR) und auf vorvertragliche Angaben zu nachhaltigen Investitionen (Produkte nach Art. 9 SFDR). Bezüglich Transparenz bei der Bewerbung ökologischer und sozialer Merkmale und von nachhaltigen Investitionen auf Webseiten (Art. 10 SFDR) sowie in regelmäßigen Berichten (Art. 11 SFDR) wurden ebenfalls weiterführende Konkretisierungen vorgenommen.
Auf Vorschlag der europäischen Aufsichtsbehörden sollen alle Level II Bestimmungen ab dem 01.01.2022 angewendet werden, entgegen dem ursprünglich geplanten Datum zum 30.06.2021. Die Level I Bestimmungen des delegierten Rechtsaktes sollen ab dem 10.03.2021 vom Adressatenkreis der Offenlegungs-Verordnung Anwendung finden. Das heißt, dass die Berücksichtigung der PAIs von verpflichteten Unternehmen unverändert vom 10.03.2021 zu erfolgen hat. Die Aufnahme der PAI in das Reporting sowie ein Stewardship zur Reduzierung der PAI-Auswirkungen verschiebt sich damit jedoch um knapp ein halbes Jahr auf den 01.01.2022. Der von der SFDR geforderte historische Vergleich der ersten beiden Referenzperioden kann daher frühestens zum 31.12.2023 erfolgen.
Um stichtagsbezogene „Bilanzkosmetik“ in der regelmäßigen Darlegung von nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen zu vermeiden, geben die ESAs die methodische Empfehlung einen Mittelwert zu nutzen, dem mindestens vier PAI-Bewertungen innerhalb einer Referenzperiode zu Grunde liegen. Unternehmen, die im Jahresdurchschnitt unter 500 Mitarbeiter beschäftigen, haben nach wie vor die Flexibilität nach dem „Comply or Explain“-Prinzip zu verfahren und in einer Erklärung zu begründen, weshalb PAI bei Investitionsentscheidungen keine Berücksichtigung erfahren.
Eine der inhaltlichen Änderungen des finalen Draft-RTS mit Reichweite ist das stark reduzierte Set an zwingenden PAI-Indikatoren für die Berichterstattung, welche um ganze 18 Leistungskennzahlen von insgesamt 32 gekürzt wurde und nun aus 14 Kennzahlen (9 umweltbezogene Kennzahlen und 5 soziale bzw. Governance-Kennzahlen) besteht und die Abbildung der Dimensionen E, S und G gewährleisten soll. Die Regelung zu halbzwingenden Indikatoren bleibt erhalten, wonach mindestens jeweils ein wesentlicher Indikator aus Tabelle 2 (von insg. 24) und Tabelle 3 (von insg. 16) weiterhin als Pflichtangabe zusätzlich zu den eben genannten 14 Kennzahlen erfolgen muss. Die Zusatzindikatoren der Tabellen 2 und 3 wurden hingegen von ihrer ursprünglichen Anzahl von 18 Indikatoren deutlich ausgeweitet und können auf freiwilliger Basis ebenfalls in die Offenlegung integriert werden.
Die Templates für vorvertragliche Informationen und regelmäßige Berichte im Annex stellen einen harmonisierten Ansatz und einheitlichen Rahmen für alle Finanzprodukte. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass eine ausreichende Granulrität an essentiellen Informationen für die ursprünglich angedachte breite Palette an Finanzprodukten nicht gewährleistet werden kann. Dies wird auch von den ESAs kritisiert, die verschiedene Berichtstemplates für unterschiedliche Produkte begrüßt hätten. Da es sich hier jedoch um einen delegierten Rechtsakt handelt, verfügen die ESAs nicht über das Mandat eine solche Anpassung vorzunehmen.
Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, dass die Disclosure-Verordnung das Prinzip der „doppelten Materialität“ (Auswirkung von ESG auf das Unternehmen, Auswirkung des Unternehmens auf Mensch und Umwelt) aufgreift und rechtsverbindlich zu integrieren vermag. Mit dem Herunterskalieren der obligatorischen PAI-Indikatoren von 32 auf 14 ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Prinzip mit einem kleineren Gewicht als erwartet in die Offenlegung einfließen wird. Die vom 23.04.2020 bis zum 01.09.2020 andauernde Konsultation (Joint ESA Consultation on ESG Disclosures) hat allerdings auch gezeigt, welche Hindernisse noch überwunden werden müssen, damit ESG vollumfänglich erfasst und die Komplexität von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren standardisiert abgebildet und berücksichtigt werden kann. Der Zugang und die Verfügbarkeit von Primärdaten von Unternehmen stellen einen Grundbaustein für die ESG-Integration sowie eine valide Berichterstattung dar. Diese Bedingung zu erfüllen ist zwingend notwendig, um die Transparenzanforderungen der Disclosure-VO in ihrer Praktikabilität zu erhöhen und den hohen Implementierungsaufwand auf Seite der Anwender zu rechtfertigen.


Nächste Schritte
Der finale RTS-Entwurf der ESAs kann nun entweder von der Kommission innerhalb von drei Monaten gebilligt und dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden oder aber zurückgewiesen und den europäischen Aufsichtsbehörden zur erneuten Überarbeitung delegiert werden. Es ist davon auszugehen, dass der finale RTS-Draft bis Ende März bzw. Anfang April verabschiedet wird.
Weiterhin ist hervorzuheben, dass der vorliegende finalisierte RTS-Vorschlag nicht darauf abzielt die Artikel 6, 7, 8 oder 9 SFDR zu konkretisieren, da diese Kompetenz weiterhin nur der Europäischen Kommission obliegt. Von der logischen Abfolge her muss zunächst eine weitere Klarstellung der Produktdefinitionen erfolgen, damit für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Klarheit geschaffen wird und ein Konsens herrscht, worüber sie genau berichten müssen. So ist die genaue Abgrenzung zwischen Produkten nach Art. 8 und Art. 9 der Offenlegungsverordnung nach wie vor unklar. Um eine konsistente und effektive Anwendung der Transparenzanforderungen nach SFDR inklusive einer konsistenten Aufsichtstätigkeit zu gewährleisten, planen die ESAs eine öffentliche Absichtserklärung noch vor dem Anwendungsdatum der SFDR abzugeben und stellen eine öffentliche Konsultation zur Produktoffenlegung in Bezug zur EU-Taxonomie in Aussicht.


Hintergrund
Mit der Erstveröffentlichung der Draft-RTS im April 2020 zur Konzeptionierung einer umfassenden Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Berichterstattung und der darauf folgenden öffentlichen Konsultation bis September 2020 des Erstvorschlags, startete ein wichtiger Findungsprozess für einen adäquaten Ansatz und Grad der Regulierung zur Berücksichtigung von Umwelt, Soziales und Governance (ESG) sowie dessen technische Umsetzung, anhand standardisierter Berichtsformate mit einem umfangreichen Set von Nachhaltigkeitsindikatoren für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater nach SFDR. Gedacht für eine breite Palette von Finanzprodukten, zielt der Draft-RTS in erster Linie auf den Anlegerschutz ab und soll unter anderem durch verpflichtende ESG-Angaben zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit für Investoren und andere Stakeholdern hinsichtlich der wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen und -merkmale von Investitionsentscheidungen führen. Dies ist nicht zuletzt auch von essentieller Bedeutung, da die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten zu einem erhöhten Risiko von Greenwashing und damit zu Fehlallokationen im Zielmarkt führt.